Waltraud Blauensteiner

Geburtsname: Vogel
geboren: 25.09.1906, Wigstadtl, Schlesien, Österreich-Ungarn
gestorben: unbekannt
Religionsbekenntnis: röm. katholisch

Ausbildung
1925 - 1929: Kunstgeschichte an der Universität Wien
1929 - 1933: Technische Hochschule Wien, Architektur
Waltraud Blauensteiner
Waltraud Blauensteiner
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Biografie

Waltraud Blauensteiner wurde am 25. September 1906 als Waltraud Vogel in Wigstadtl, einer kleinen Stadt im Landkreis Troppau, geboren. Damals gehörte dieses Gebiet zu Österreichisch Schlesien und war damit ein Teil der Habsburgermonarchie, nach dem Ersten Weltkrieg kam es zur Tschechoslowakei, wurde 1938 Teil des Deutschen Reichs, und liegt heute in Tschechien.

Mit dem erfolgreichen Abschluss der Schule übersiedelte sie nach Wien und studierte von 1925- 1929 an der Universität Wien Kunstgeschichte bei Professor Strzygowski, bei dem sie 1932 mit der Arbeit “Romanische Bauplastik in Böhmen und Mähren” dissertierte. 1928 inskribierte sie zusätzlich, zuerst als außerordentliche Hörerin, dann ab 1929 als ordentliche Hörerin an der Technischen Hochschule mit Studienrichtung Architektur. 

Josef Strzygowski, ihr Professor in Kunstgeschichte, war ein bedeutender Kunsthistoriker, er förderte Studentinnen, unterstützte eine große Anzahl jüdischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, gleichzeitig aber kamen Teile seiner Veröffentlichungen nach dem Zweiten Weltkrieg auf einen Index für Bücher mit nationalsozialistischem Gedankengut. In dieser Zeit zwischen den beiden Weltkriegen war Wien ein Ort, an dem intellektuelle, ideologische und wirtschaftliche Richtungskämpfe ausgefochten wurden – auch im Kunstbetrieb. Diese Periode des Wandels, zwischen Tradition und Moderne war das Klima, in dem junge Studierende wie Waltraud Vogel sozialisiert wurden.

Zwischen 1935 und 1939 arbeitete sie bei verschiedenen Architekturbüros in Wien und Schlesien. 1939 fand sie dann eine Anstellung im Architekturbüro Klaudy & Lippert, bei dem sie bis 1944 blieb. In diesem Büro wurden zwischen 1939 und 1945 hauptsächlich Industriebauten und Werksiedlungen für die Organisation Todt (OT) und damit für das NS-Regime geplant und gebaut. Der Krieg hatte sowohl die Auftragslage freischaffender Architektinnen und Architekten, wie auch die Möglichkeiten einer Anstellung für ArchitekturtabsolventInnen sehr eingeschränkt. Möglich waren vorrangig Tätigkeiten für den Parteiapparat oder in den Baubüros der Kriegs- und Rüstungsindustrie.

1941 heiratete Waltraud Vogel den Kunsthistoriker Kurt Blauensteiner, Kurator in der Österreichischen Galerie. Er war der Sohn des Landesleiters der Reichskammer der bildenden Künste in Wien, Leopold Blauensteiner, einer wichtigen politischen Person in der Kunstszene, da die Reichskammer für die Gleichschaltung von Kunst und Kultur im Sinne der NS-Propaganda verantwortlich war. 

Waltraud Blauensteiner selbst hatte im Dezember 1940 auch um eine Aufnahme in die Reichskammer der bildenden Künste angesucht. Eine Mitgliedschaft war damals Voraussetzung für jede künstlerische Berufsausübung. 

Seit 1943 Witwe, fand Waltraud Blauensteiner nach Kriegsende eine Anstellung im Bundesdenkmalamt, macht dort Karriere und war von Jänner 1955 bis Dezember 1966 Landeskonservatorin für Wien. Die Arbeit des Bundesdenkmalamtes war in der Nachkriegszeit eine Herausforderung: fehlende Baustoffe, mangelnde Transportmöglichkeiten, wenig qualifiziertes Personal, unterschiedliche Unterstützung durch die Alliierten. 

Neben der Hauptaufgabe, die Kriegsschäden an historischen Bauwerken zu erfassen und Erhaltungsmaßnahmen durchzuführen, hatte das Bundesdenkmalamt eine weitere, allerdings weniger bekannte Funktion.  Seit dem “Anschluss” Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland waren viele Kunstwerke aus österreichischen Museen, aus den Museen der besetzten Länder und Raubkunst aus meist jüdischem Privatbesitz nach Deutschland transportiert worden. Mit Kriegsende war in München von der US-Militärbehörde dafür der Central Art Collecting Point  eingerichtet worden, die größte Kunstsammelstelle der amerikanischen Besatzungszone, mit dem Ziel, die aufgefundenen, wiederbeschafften und geretteten Werke zu sichten, zu inventarisieren und zu restituieren. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des österreichischen Bundesdenkmalamtes wurden daraufhin nach München geschickt, um “Restitutionsansprüche” geltend zu machen und österreichische Interessen zu vertreten. Österreich nahm eine Sonderstellung ein, da es zwischen 1938 und 1945 nicht als eigenständiges Land existiert hatte.  Von den Alliierten war Österreich aus politischen Gründen als erstes Opfer Hitlers anerkannt worden, eine für Österreich sehr vorteilhafte Entscheidung. Allerdings waren gleich nach dem Krieg die rechtlichen Belange und Verantwortungen noch völlig ungeklärt, von moralischen Verpflichtungen ganz abgesehen.

Von Dezember 1946 bis 1949 wurde Waltraud Blauensteiner auf Werksvertragsbasis vom Bundesdenkmalamt nach München gesandt. Sie war mit der Aufgabe der Erfassung und Repatriierung dieser Kunstgüter betraut. Keine leichte Aufgabe. Die verschiedenen Interessen der Beteiligten, die der Deutschen, der Österreicher, aber auch der alliierten Militärvertreter, hätten unterschiedlicher nicht sein können. 

Ein interessanter Punkt, der die Komplexität der Museumspolitik und des Kunstbetriebs der damaligen Zeit aufzeigt, sei hier noch erwähnt. Während Waltraud Blauensteiner in der Nachkriegszeit mit der Erfassung und Rückführung von Werken aus ehemals österreichischen Beständen beschäftigt war, hatte nur wenige Jahre zuvor ihr Ehemann Kurt Blauensteiner arisierter Kunst inventarisiert und dazu beigetragen, dass der staatlich organisierte Kunstraub und die Eingliederung in die Sammlungen der Museen reibungslos vor sich gegangen war. 

Nach vier aufreibenden Jahren kam Waltraud Blauensteiner 1949 endgültig nach Wien zurück und fand hier ihre Berufung. In den Jahren, die folgten, lag ihr Schwerpunkt in der Denkmalpflege, in der Planung und Ausführung von Restaurierungsarbeiten und Wiederaufbauprojekten. Hier seien einige erwähnt wie die Beseitigung der Bombenschäden des Palais Schwarzenberg, die Restaurierung des Winterpalais des Prinzen Eugen, die Instandsetzung des Laudon-Schlosses in Hadersdorf, oder des Prunksaals der Nationalbibliothek. Ab 1955 bis 1966 war sie als Landeskonservatorin für Wien in einer leitenden Stellung tätig.

Darüber hinaus hat sie mit Publikationen und Beiträgen in Fachzeitschriften einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Probleme des Bundesdenkmalamtes beigetragen. Nicht nur die Erhaltung einzelner Bauwerke hat sie interessiert, sondern auch die theoretischen Fragen der Altstadtsanierung. Liest man ihre detailreichen Arbeitsbeschreibungen, ist unschwer ihre Begeisterung für ihre Themenbereiche zu erkennen. In ihrer Tätigkeit für das Bundesdenkmalamt konnte sie in idealer Weise ihre fachlichen Kompetenzen, sowohl als Architektin, wie auch als Kunsthistorikerin in ihre Arbeit einbringen.

Werke (Auswahl) 

für das Bundesdenkmalamt

Beseitigung der Bombenschäden des Palais Schwarzenberg

Restaurierung des Winterpalais des Prinzen Eugen

1960- 64 Instandsetzung des Laudon-Schlosses in Hadersdorf

Instandsetzung des Prunksaals der Nationalbibliothek

Quellen

Archiv der Zentralvereinigung Österreich, Landesverband Wien, Nö & Bgld.

Archiv des Bundesdenkmalamts, Personalakt Waltraud Blauensteiner

Archiv der Republik (Staatsarchiv), AT-OeStA/AdR UWFuK BMU PA Sign 3 und Sign 8, Waltraud Blauensteiner

Sabine Plakolm-Forsthuber: Wege und Irrwege der ersten Architektinnen in der ZV (1925-1959), in: Ingrid Holzschuh, (Hrsg): BauKultur in Wien 1938-1959, S. 52

Selbstverlag des Bundesdenkmalamtes: Denkmalpflege in Österreich 1945 – 1970, Wien, 1970

Iris Lauterbach: Der Central Collecting Point in München: Kunstschutz, Restitution, Neubeginn, München/Berlin, 2015

Karl Johns: Josef Strzygowski (1862-1941). In: Journal of Art Historiography Nr. 17/ 2017

Friedirch Polleroß: Josef Strzygowski: Seine Teil-Nachlässe sowie seine Schüler und Schülerinnen zwischen Zionismus und Nationalsozialismus. In: Mitteilungen der Gesellschaft für vergleichende Kunstforschung in Wien 73 (2021), Nr. 3, S. 1-22

Die Bühne: Heft 11/1945

Österreichische Zeitschrift für Kunst, Kunsthandwerk und Wohnkultur, Nr. 7/8, 1957

https://www.lexikon-provenienzforschung.org

http://www.architektenlexikon.at

http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-s.html

Foto: Auf dem Fragebogen um die Aufnahme in die Reichskammer der bildenden Kunst, Wien 1940, Archiv der Zentralvereinigung Österreich, Landesverband Wien, Nö & Bgld.

 

Text: Christine Oertel
Februar 2022

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