Helene Koller-Buchwieser

Geburtsname: Buchwieser
weitere Namen: 1. Ehe verheiratete: Kitschelt, 2. Ehe verheiratete: Koller
geboren: 26.11.1912, Wien, Österreich-Ungarn
gestorben: 04.03.2008, Hinterbrühl, Niederösterreich
Religionsbekenntnis: röm. katholisch

Ausbildung
1932 - 1933 Maurerlehre
1932 - 1937 Technische Hochschule Wien, Studienrichtung Architektur
Helene Koller-Buchwieser
Helene Koller-Buchwieser
Teilen
Projekt Wettbewerb Kirchenneubau Maria Enzersdorf Südstadt, 1968
Helene Koller-Buchwieser, Projekt Wettbewerb Kirchenneubau Maria Enzersdorf Südstadt, 1968

Biografie

Helene Koller-Buchwieser wurde am 26. November 1912 als Helene Buchwieser, älteste Tochter des Architekten und Stadtbaumeisters Bruno Buchwieser, sen. in Wien geboren. Früh entstand der Wunsch, Baumeisterin zu werden, den sie gegen die Bedenken der Familie durchsetzte. Bereits während ihrer Schulzeit arbeitete sie in den Sommerferien als Maurerlehrling. Von 1932 bis 1937 studierte sie an der Technischen Hochschule in Wien Architektur, wobei sie parallel Praxis als Bautechnikerin und Werkführerin auf Baustellen ihres Vaters erlangte. Als Baupolierin leitete sie Instandsetzungsarbeiten der romanischen Kirche St. Michael in Pulkau. 

Nach dem Abschluss des Architekturstudiums plante sie an der Technischen Hochschule in der Meisterschule Karl Holey, Bauhistoriker und Dombaumeister, eine weitere wissenschaftliche Ausbildung. Zu diesem Zweck war sie auf eine mehrmonatige Forschungsreise nach England aufgebrochen, um Materialien zum Thema der Entwicklung der Universitätsbauten des Mittelalters zu sammeln. Anfang März 1938 nach Wien zurückgekehrt, konnte sie ihre Forschung aber nicht mehr weiterführen, weil die nationalsozialistischen Truppen in Österreich einmarschiert waren und Karl Holey, zu diesem Zeitpunkt auch Rektor der Technischen Hochschule Wiens,  nicht mehr länger in seiner Position verbleiben konnte.

Schnell fand Helene Buchwieser eine Alternative und begann am Kunsthistorischen Museum zu arbeiten, das zu diesem Zeitpunkt aufgrund der NS-Verordnungen viele ihrer MitarbeiterInnen entlassen hatte und für die nun unbesetzten Posten neue brauchte.

Das Kunsthistorische Museum war jener Ort, an dem arisierte und geraubte Kunstwerke von Jüdinnen und Juden und anderer Personen, die als „staatsfeindlich“ galten, aufbewahrt wurden. Das Zentraldepot des beschlagnahmten Kunstgutes wurde unter administrativer und wissenschaftlicher Leitung des Kunsthistorischen Museums im ersten Stockwerk der Neuen Burg eingerichtet. Die Kunstwerke mussten untergebracht, inventarisiert und ausgestellt werden. Dieser neue Aufgabenbereich hatte Adaptierungsmaßnahmen im Museum notwendig gemacht, die in Folge umgesetzt werden sollten. 

Zur Umsetzung dieser Bauprojekte war im Museum eigens eine Bauabteilung eingerichtet worden, deren Leiterin Helene Buchwieser geworden war. Ihre Aufgaben umfassten die Ausarbeitung und Überwachung laufender Bauarbeiten und Architekturfragen der Instandsetzung, und die Innenausgestaltung der Weltlichen und Geistlichen Schatzkammer sowie der Neuen Burg. Dazu zählten diverse baumeisterliche Arbeiten, wie Einbauten, Verglasungen, Adaptierung der sanitären Anlagen, Erneuerung der Personenaufzüge, aber auch die Überwachung der Umgestaltung, zB des Palais Pallavichini, in dem die Musiksammlung untergebracht worden war. In ihren Verantwortungsbereich fiel auch die Organisation der Aufstellung der Hitlerbüsten von Edwin Grienauer und Wilhelm Fraß, des Weiteren die Planung der Dekoration in Vorbereitung auf den Besuch Adolf Hitlers im Museum im März 1939. Während ihrer Tätigkeit im Museum lernte sie ihren späteren Ehemann, den österreichischen Kunsthistoriker Lothar Kitschelt, illegaler Nationalsozialist der Anfangszeit und Mitglied der SS, kennen. Bereits 1939 heirateten sie, was Helene Buchwieser-Kitschelt allerdings dazu zwang, ihre Stelle im KHM aufzugeben, gemäß den Bestimmungen für verheiratete weibliche Personen im Bundesdienst. 

Ihre politische Ausrichtung ist schwer zu beurteilen. Sie war kein Parteimitglied und hat nie einen Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP gestellt.

1940 kehrte sie als stellvertretende Betriebsleiterin in das väterliche Bauunternehmen zurück, wo sie bis 1948 blieb. In dieser Funktion war sie zu Kriegsende, in Vertretung des Dombaumeisters Karl Holey, gemeinsam mit ihrem Bruder Bruno Buchwieser, jun., für Sicherungs- und Wiederaufbaumaßnahmen des Wiener Stephansdoms verantwortlich. Die Restaurierungen von kriegszerstörten Gebäuden spielte auch in den nachfolgenden Jahren eine wichtige Rolle in ihrer Tätigkeit. Am 16.5.1940 hatte sie als erste Frau die Baumeisterprüfung abgelegt und 1945 die Befugnis eines Zivilingenieurs für Hochbau erlangt.
Seit 1944 Kriegswitwe, heiratete sie in zweiter Ehe 1947 Josef Koller, Sektionsrat im Bundesministerium für Volksernährung. 

Bevor sie sich 3 Jahre nach Kriegsende als freischaffende Architektin selbständig machte, besuchte sie mit einem Stipendium der UNRRA (Hilfs- und Wiederaufbauverwaltung der Vereinten Nationen) für 6 Monate die USA, um sich dort mit Wohnungs- und Siedlungsbau, neuen Bauweisen und neuen Baustoffen auseinanderzusetzen.
Seit ihrer Selbständigkeit 1948 konnte vielfältig Arbeitsaufträge lukrieren. Im Laufe eines halben Jahrhunderts plante und baute Koller-Buchwieser mit einem Schwerpunkt auf Wohn- und Sakralbau, ebenso auch Bildungsbauten, Verwaltungsbauten und Privathäuser. Es entstanden u.a. Wohnanlagen für die Gemeinde Wien, Wohnsiedlungen, Sozialwohnungen, Studentenwohnheime und Altenwohnungen, Waisenhäuser, Schulen, Bibliotheken und Fabriken. Helene Koller-Buchwieser beteiligte sich erfolgreich an nationalen wie internationalen Wettbewerben, wo sie erste Preise für ein Schulzentrum, ein Studentenheim, ein Kinderheim und eine Aufbahrungshalle gewann.  Ein besonderes Anliegen scheinen ihr sakrale Bauten gewesen zu sein, was aus ihrer frühen Arbeit an Kirchen und ihrem familiären Umfeld – ihr Vater war u.a. Ordensbaumeister der Karmeliterinnen – gelegen sein dürfte. So sind von ihr zahlreiche Kirchen und deren Nebengebäude sowie Erweiterungen von Klöstern gebaut worden.

In späteren 1970er Jahren engagierte sie sich bei Aufbauarbeiten in West-Afrika, für die sie sogar von Papst Paul VI mit dem Pro Ecclesia et Pontifice Ehrenzeichen ausgezeichnet wurde. Als weitere Ehrungen erhielt sie 1979 den Titel Professorin und 1988 die Ehrennadel von Hinterbrühl, jener Gemeinde, in der sie ihren Wohnsitz hatte.
Helene Koller-Buchwieser hinterlässt ein umfangreiches Werk. Sie war Architektin und Baumeisterin und besaß die erforderliche kunsthistorische Expertise für ihre Arbeit. Ihre große Affinität zu Kirchenbaukunst, sowie ihr soziales Engagement  haben wichtige Projekte entstehen lassen. Sie definierte ihr lebenslanges Ziel darin, kreative Lösung für zeitgenössische Bedürfnisse zu finden und der Architektur eine spirituelle Dimension zu verleihen.

Werke (Auswahl)

Kirchenbauten, kirchliche Bauträger

1936 Restaurierungsarbeiten an der Pfarrkirche St. Michael in Pulkau, NÖ,

1947 Wiederherstellung der Pfarrkirche St. Leopold in Wien 2,

1952 – 1956 Pfarrkirche zur Kreuzerhöhung in Kittsee

1957 Wiederaufbau der Pfarr- und Ordenskirche Unserer lieben Frau vom Berge Karmel

1959 – 1961 Neuerbauung des 1945 zerstörten „Waldklosters“ der Kongregation der Töchter des göttlichen Heilandes in Wien 10, Gellertplatz und Internat

Wettbewerbserfolge

1951 Entwurf von Wohnhäusern für die Tullner Zuckerfabrik und Realisierung

1962 1. Preise für das Schulzentrum Eisenstadt,
Kinderheim in Kirchschlag in Oberösterreich

1971 Studentinnenheim Buchfeldgasse in Wien 8

1977 Aufbahrungshalle in Hinterbrühl 

Wohnhausanlagen für die Gemeinde Wien

1958 – 1960 Gestettengasse 21a, 1030 Wien

1959 – 1961 Tivoligasse 13, 1120 Wien

Für die Jungarbeiterbewegung

1951 Jungarbeiterdorf Hochleiten-Gießhübl in Mödling (nach den pädagogischen Ideen ihres Bruders Bruno Buchwieser, jun.)

Europahaus Wien 14 

Studentenheim Bürgerspitalgasse Wien 6

Weitere Projekte

Siedlung Viktring-Klagenfurt 

Siedlung An den langen Lüssen in Wien-Grinzing 

1959 Atelierhaus 

1971 Hangsiedlung Badgasse in Mödling

1970er Jahre Aufbauarbeit in Afrika Obervolta: Ausbildungszentrum für Jugendliche mit Internat. Kirche, Gemeindezentrum, Studentenwohnungen, Architekturschule

Quellen

Juliane Mikoletzky, Ute Georgeacopol-Winischhofer, Magrit Pohl: Dem Zuge der Zeit entsprechend… / Zur Geschichte des Frauenstudiums in Österreich am Beispiel der Technischen Universität Wien. WU-Universitätsverlag 1997, S. 230f

Ute Georgeaocpol-Winischhofer: Koller-Buchwieser, Helene, geb. Buchwieser. In: Brigitta Keintzel/ Ilse Korotin, Wissenschafterinnen in und aus Österreich / Leben – Werk – Wirken, Böhlau Verlag Wien / Köln / Weimar 2002, S. 396-399

Milka Bliznakov: A Life dedicated to the Spiritual in Architecture: Helene Koller-Buchwieser, in International Archive of Women in Architecture, Nr. 8, 1996

Elise Sundt (Hg), Koller-Buchwieser, Helene: in Ziviltechnikerinnen, Eigenverlag, 1982, S. 50f

Archiv der Republik (Staatsarchiv) AT-OeStA/AdR HBbBuT BMfHuW Titel ZivTech H-L 4616, 4928 

http://biografia.sabiado.at/koller-buchwieser-helene  

https://www.lexikon-provenienzforschung.org

Foto: Portrait Helene Buchwieser 1946, Helene Koller-Buchwieser Papers, Ms1995-020, Special Collections and University Archives, University Libraries, Virginia Polytechnic Institute and State University.

Foto: Projekt Wettbewerb Kirchenneubau Maria Enzersdorf, Südstadt 1968 , Helene Koller-Buchwieser Papers, Ms1995-020, Special Collections and University Archives, University Libraries, Virginia Polytechnic Institute and State University.

Text: Christine Oertel

Februar 2022

zum Podcast