Biografie

Lilias Vater Julius Sofer war jüdisch und Kaufmann / Vetreter der Firma Waldes Koh-i-noor, die Mutter Katharina geb. Skala war Katholikin. Die Tochter besuchte ein privates Mädchen-Obergymnasium, wo sie 1915 die Matura ablegte. Für ihre Eltern wäre ein Medizinstudium die angemessene Berufsausbildung gewesen. Doch Lilia hegte bereits insgeheim den Wunsch Schauspielerin zu werden und zog eine ganz andere Richtung vor. An der Technischen Hochschule Dresden begann sie Architektur zu studieren. Das war 1915 in Wien für Frauen noch nicht möglich war. In Dresden konnte sie bei einem Geschäftspartner des Vaters wohnen und ihr Leben als Studentin beginnen. Im Oktober 1915 immatrikulierte sie an der Abteilung Hochbau der TH Dresden und studierte 10 Semester. Nach vier Fachsemestern trat sie zur Diplom-Vorprüfung an. Die Diplom-Hauptprüfung bestand sie im August 1920 mit Auszeichnung. (als 2. Studentin nach Else Riedel und als erste „mit Auszeichnung“). Über ihr Studium ist bekannt, dass sie alle Vorlesungen und Übungen besuchte und durchwegs gute Noten bekam. In den ersten Jahren scheint es nur eine weitere weibliche Studentin in der Abteilung gegeben zu haben. 1920 waren es bereits 10 Studentinnen. Lilia Sofer scheint ausdauernd und ehrgeizig gewesen zu sein und Gefallen an dem Beruf gefunden zu haben. Als Diplom-Ingenieurin kehrte sie nach Wien zurück.

Zuerst sammelte sie praktische Erfahrung in acht Wochen als Maurerlehrling und in einer Zimmerei. Ab Herbst besuchte sie als Hospitantin für ein Semester die Kunstgewerbeschule, die Fachklasse Architektur bei Oskar Strnad. Als Berufswunsch gab sie an: Innenarchitektur!
Der erste Auftrag folgte mit dem Umbau eines privaten Kinderheimes in Laa an der Tulln, Gemeinde Neulengbach, das durch den Komponisten und Geigenvirtuosen Fritz Kreisler und seine Frau Harriet großzügig finanziert wurde. Weiters war sie für Ausstellungen in Wien und Deutschland tätig, hatte private Aufträge und wurde durch ihre Artikel und Vorträge in Frauenvereinen bekannt.

1922 heiratete sie und bald kam der erste ihrer beiden Söhne zur Welt. Als verheiratete Frau und Mutter den ungewöhnlichen Beruf der Architektin auszuüben wurde mit Erstaunen, Anerkennung und auch mit Skepsis in der Öffentlichkeit wahrgenommen.

In Wien kam bald ihre Leidenschaft für das Schauspiel zurück. Durch die Bekanntschaft mit  Max Reinhard, der sie förderte, nahm sie Schauspielunterricht. Ab 1930 hatte sie bereits Engagements, sie spielte in sechs österreichischen und deutschen Filmen.

Lilias Mann Erich Louis Polak war jüdisch. In den 1930erJahren als die Nationalsozialistische Gefahr größer wurde, entschlossen sich beide den nichtjüdischen Namen – Skala –  ihrer Mutter anzunehmen. Für Erich Skala wurde 1938 nach dem Anschluss die Lage in Österreich zu riskant. Nach einer Inhaftierung gelang es ihm das Land zu verlassen. Auch Lilia schaffte mit ihren Kindern die Flucht nach England, wo die die Familie wieder zusammen kam. 1939 emigrierten sie in die USA. 

Als Lilia Skala musste sie von vorne anfangen. Gelegenheitsjobs die sie annahm um Geld zu verdienen halfen ihr die englische Sprache rasch zu erlernen. Schließlich schaffte sie es als Schauspielerin zunächst am Broadway und später auch bei Film und Fernsehen, Fuß zu fassen. Sie wurde eine bekannte und ausgezeichnete Filmschauspielerin. Ihr erfolgreichster Film war das 1963 produzierte Drama Lilien auf dem Felde. 1964 wurde sie dafür sowohl für den Golden Globe als auch für den Oscar in der Kategorie Beste Nebendarstellerin nominiert. Lilia Skala stand bis ins hohe Alter auf der Bühne und drehte Filme. Bei ihrem letzten Film, der 1991 entstand, war sie bereits 95 Jahre alt. 

Die wenigen Erinnerungen an ihre Zeit als Architektin hat sie dem International Archive of Women in Architecture (IAWA) am Virgina Tech USA übergeben. Hier finden sich ihre Studienarbeiten und ein Portrait aus ihrer Jugendzeit.

Werke (Auswahl)

1921-1922 Umbau eines Kinderheimes in Laa an der Tulln, Gemeinde Neulengbach

1922 auf der Leipziger Herbstmesse waren der Verkaufsstand im Koffer und ein zerlegbarer Pavillion zu sehen, Neuheiten für die Materia GmbH. entworfen

1924 Ausstellung Der gedeckte Tisch in Wien (mit Journalistin Gisela Urban)

1925 Gestaltung der Abteilung Der neue Haushalt bei der Hygieneausstellung im Wiener Messepalast.

Zahlreiche Artikel in Zeitschriften und Zeitungen sowie Vorträge.

Quellen

BiografiA. Lexikon österreichischer Frauen. Band 03 P-Z, Hg: Ilse Korotin, Wien Köln Weimar, 2016, S. 2840-2841

Matthias Franke: Lilia Sofer- Studentin der TH Dresden, Architektin und Schauspielerin, in: Hildgard Küllchen u.a. (Hg.): Frauen in der Wissenschaft- Frauen an der TU Dresden. Tagung aus Anlass der Zulassung von Frauen zum Studium in Dresden vor 100 Jahren, Leipzig 2010, S.135-143, 310

Nationale Lilia Sofer 13.10.1920, Kunstgewerbeschule Wien, Archiv UaK

Egon M. Salzer: Von bedeutenden Frauen, Dipl.-Ing. Lilia Polak-Sofer, in: die Frau und Mutter, Wien 4/1927, S. 17

https://www.geni.com/people/Lilia-Skala/6000000039040418628

http://www.herstory-sachsen.de/lilia-skala-sofer/

Foto: Portrait, 1915, Lilia Sofer Skala Student Portfolio, Ms2003-015, Special Collections and University Archives, University Libraries, Virginia Polytechnic Institute and State University

Text: Christine Zwingl

Februar 2022

zum Podcast