Biografie
Rosa Weiser wurde am 25. August 1897 in Salzburg geboren. Nach Abschluss der Schule und mitten im Ersten Weltkrieg fand sie 1916 eine Anstellung in der Stadtbuchhaltung im Stadtbauamt der Gemeinde Salzburg. Das Ende des Ersten Weltkriegs und die Gründung der Ersten Republik hatte massive ökonomische und soziale Umwälzungen zur Folge, die das Arbeitsleben, aber besonders auch Frauenfragen betrafen. Frauen drängten in Ausbildungen und Berufe, die ihnen noch während der Monarchie verschlossen geblieben waren. Diese Phase des Aufbruchs ließ Zeit und Raum für Träume und Chancen. Und Frauen ergriffen sie.
Was Rosa Weiser dazu bewogen hat, sich 1920 um die Aufnahme an der Kunstgewerbeschule des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie, wie die Hochschule für angewandte Kunst damals hieß, zu bemühen, wissen wir leider nicht. Mit 23 Jahren begann sie ihr Studium, zunächst bei Prof. Carl Witzmann, der allgemeine Formenlehre unterrichtete, bei Rosalia Rothhansl, in der Werkstätte für Textilarbeiten – übrigens die erste weibliche Professorin an der Wiener Kunstgewerbeschule. Vor allem studierte sie drei Jahre bei Professor Oskar Strnad, in der Fachklasse für Architektur. Die Studierenden präsentierten regelmäßig ihre Entwürfe in Architekturausstellungen im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie (später Museum für angewandte Kunst). So auch Rosa Weiser, die in ihrem Abschlussjahr 1924 mit dem Entwurf eines Landhauses ihr Können unter Beweis stellen konnte. Dieser Entwurf wurde ebenso 1925 bei der Pariser Weltausstellung des Kunstgewerbes und des Industriedesigns gezeigt. Zudem fanden sich Erwähnungen ihrer Arbeiten in Zeitschriften wie Kunst und Dekoration, Frühlicht und Der Aufbau. Sie schloss ihre Studien 1924 ab, erhielt aber erst 1928 ihr Abgangszeugnis.
Die Beurteilungen durch ihre ProfessorInnen waren durchwegs positiv, so hatte sie auch keine Schwierigkeiten gleich nach ihrem Studienabschluss eine Anstellung im Österreichischen Verband für Siedlungs- und Kleingartenwesen zu finden. Daneben war sie an internationalen Ausstellungen tätig, wie z.B. 1926 auf der GeSoLei, der Großen Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen in Düsseldorf, auf der sie das Österreichhaus ausstattete. Einige der Bauten der damaligen Ausstellung prägen heute noch das Stadtbild von Düsseldorf.
Sie wechselte in das Einrichtungshaus Haus & Garten von Oskar Wlach und Josef Frank, das Häuser und Wohnungseinrichtungen entwarf und produzierte. Hier war sie ganz im Sinne ihrer Ausbildung der Kunstgewerbeschule, das Haus als Gesamtkunstwerk zu betrachten, tätig. Das Einrichtungshaus war mit seinem Konzept sehr erfolgreich, denn die Entwürfe verbanden Eleganz und Behaglichkeit ohne dabei auf Modernität und Zweckmäßigkeit zu verzichten. 1927 verließ sie Haus & Garten, arbeitete im Anschluss für verschiedene Architekturbüros in Österreich und Deutschland, um sich 1930 schließlich selbständig zu machen.1
1932 bot sich ihr die Möglichkeit, im Rahmen der Wiener Werkbundausstellung, das dreigeschoßige Reihenhaus Nr. 56 des Niederländers Gerrit Thomas Rietveld einzurichten. Die Werkbundsiedlung eines der bahnbrechenden architektonischen Projekte der Moderne in Österreich, war für eine junge Architektin ein Prestigeprojekt.
1930 unternahm sie Studien- und Arbeitsreisen nach Frankreich, England und Deutschland. Sie war an Ausstellungen beteiligt, plante Wohnungseinrichtungen und Wohnungsumbauten in Wien und Salzburg und nahm an Wettbewerben teil. Die Zeit zwischen 1924 und 1936 war eine fruchtbare Schaffensperiode, wie sich aus ihrer Werksaufzeichnung herauslesen lässt.
Die Selbständigkeit bot ihr die Möglichkeit, eigene Interessensgebiete voranzutreiben. So entwickelte sie Typenwohnungen und –häuser für Ausstellungen und spezialisierte sich auf Kleinhäuser und deren Einrichtung. Dabei leitete sie die Bauführungen ihrer Neu- und Umbauprojekte selber.
Am 31.12.1949 legte sie die Ziviltechnikerprüfung ab und wurde damit Mitglied der Ingenieurkammer für Wien, NÖ, und Burgenland. In der Nachkriegszeit plante sie zumindest zwei Wohnhausanlagen für die Gemeinde Wien. Für die Wohnhausanlage im 23. Wiener Gemeindebezirk in der Breitenfurter Straße 556 war sie 1956-58 allein planungsverantwortlich. Die Wohnhausanlage am Montecuccoliplatz 1-3 im 13. Bezirk, die im Zeitraum 1963-65 gebaut wurde, hatte sie in Zusammenarbeit mit Hans Bichler geplant.2 Weitere Bauten aus der Nachkriegszeit sind nicht bekannt.
Sie arbeitete bis ins Alter von fast 70 Jahren – 1968 hatte sie ihre Befugnis zurückgelegt – und war damit ihr gesamtes Berufsleben lang als Architektin tätig, dabei stand der Wohnbau im Mittelpunkt ihres Schaffens. Nach einem reichen Arbeitsleben starb Rosa Weiser mit 83 Jahren 1980 in Wien. Sie war an vielen Projekten beteiligt, die Baugeschichte geschrieben haben und hat eine große Zahl privater Projekte umgesetzt.
1 Die politische Lage und der zunehmende Antisemitismus in Österreich, hatten Josef Frank schon 1934 dazu bewogen, mit seiner Frau nach Schweden zu emigrieren. Das Einrichtungshaus selbst wurde 1938 arisiert, Oskar Wlach und seiner Frau gelang jedoch noch rechtzeitig die Flucht. Anfang der 1950er Jahre hatte er - erfolglos - einen Restitutionsantrag für die Firma „Haus & Garten“ gestellt. Seine Versuche nach Österreich zurückzukehren, blieben ebenso ergebnislos. In den USA gelang es ihm nicht mehr als Architekt Fuß zu fassen.
2 Bichler, ein Absolvent der Kunstgewerbeschule wie sie, war 1938 kommissarischer Leiter des Österreichischen Werkbundes geworden und hatte zwischen 1939 und 1945 den Wiener Kunsthandwerksverein (die NS-Nachfolgeorganisation des zwangsweise aufgelösten Österreichischen Werkbundes) geleitet.
Werke (Auswahl)
1928 Adaptierungen im Hotel Bristol, Salzburg
1931 – 1936 diverse Wohnungseinrichtungen von Privathäusern- und Wohnungen in Wien und Salzburg und Deutschland
1932 Mitarbeit an der Arenberg-Verbauung, Salzburg
1932 Einrichtung des Hauses Nr. 56 von Gerrit Thomas Rietveld bei der Wiener Werkbundausstellung
1956 – 1958 Wohnhausanlage in der Breitenfurter Straße 556, 1230 Wien
1963 – 1965 Wohnhausanlage am Montecuccoliplatz 1-3, 1130 Wien
Quellen
Rosa Weiser Nationale vom 9.2.1922 und Abgangszeugnis vom 30.06.1924, Kunstgewerbeschule Wien, Archiv UaK
Werkbundsiedlung Wien 1932. Ein Manifest des Neuen Wohnens, Hg: Andreas Nierhaus, Eva-Maria Orosz, Ausstellungskatalog Wien Museum, 2012-2013
Sabine Plakolm-Forsthuber: „ZV-Frauen bauen mit!“ Wege und Irrwege der ersten Architektinnen in der ZV (1925-1959), in: Ingrid Holzschuh (Hg.): Baukultur in Wien 1938-1959. Das Archiv der Zentralvereinigung der ArchitektInnen Österreichs (ZV), Basel, 2019, S. 48-63, hier S. 51
Sabine Plakolm-Forsthuber: Beruf: ‚Frau Architekt‘ Zur Ausbildung der ersten Architektinnen in Wien, in: Margarete Schütte-Lihotzky. Architektur. Politik. Geschlecht. Neue Perspektiven auf Leben und Werk, Hg.: Marcel Bois, Bernadette Reinhold, Basel, 2019, S. 38-51.
Fotos Abgangszeugnis, Landhaus Architekturmodell: Archiv UaK
Text: Christine Oertel
Februar 2022