Eugenie Pippal-Kottnig
Eugenie Pippal-Kottnig
Entwurf von Eugenie Pippal-Kottnig
Eugenie Pippal-Kottnig Wettbewerbsbeitrag

Biografie

Eugenie Pippal-Kottnig, kam 1921 unter ungewöhnlichen Umständen auf die Welt. Sie wurde als Tochter von Karl Kottnig, der während des Ersten Weltkriegs als Soldaten der k. k. Monarchie in Kriegsgefangenschaft geraten war und der jungen Russin Eudokia Mitrofanowna Tscheglowna in Sibirien geboren. Sie ist ein Baby, als der Vater aus der Kriegsgefangenschaft entlassen wird und die Familie die anstrengende Reise nach Wien antreten kann. In Wien wuchs sie, geprägt von zwei Kulturkreisen, der österreichisch-katholischen und der russisch-orthodoxen, und den reformpädagogischen Bildungsideen eines Otto Glöckel, heran. Mit gerade einmal 14 Jahren bewarb sich Eugenie Kottnig um eine Aufnahme an der Kunstgewerbeschule. In den ersten drei Jahren studierte sie Allgemeine Formenlehre bei Otto Niedermoser, der ihr eine außergewöhnlich vielseitige Begabung, ein klares, sicheres Urteil und hervorragende darstellerische Fähigkeiten attestierte. In ihren letzten beiden Studienjahren von 1938 bis 1940 studiert sie in der Fachklasse für Architektur bei Franz Schuster. Sie galt als eifrige Studentin und konnte exzellente Noten vorweisen, nahm an Wettbewerben der Kunstgewerbeschule teil und konnte sich schon früh Anerkennung erarbeiten. 1940 schloss sie mit der Arbeit Landhaus an einem Alpensee, für die sie sogar den Staatspreis erhielt. Statt die Schule zu verlassen und als Architektin tätig zu sein, entschloss sie sich an der von Franz Schuster neugegründete Meisterklasse für Wohn- und Siedlungsbau als Fachkraft für 15 Stunden mitzuarbeiten. Ein Jahr später stieg sie zur Assistentin der Fachklasse für Architektur – Wohnungsbau und Raumgestaltung auf, eine Stelle, die sie bis 1946 innehatte.

1941 bekam sie den Auftrag, das chemische Labor der Prüf- und Versuchsabteilung der Kraftfahrtechnischen Lehranstalt der Waffen-SS in der Maria-Theresien-Kaserne einzurichten. Für 6 Monate, bis ins Frühjahr 1942 war sie mit diesem Projekt beschäftigt. Über das chemische Labor konnten wir bis dato wenig finden, die Anlage selbst diente ab 1944 zum Teil als Außenlager des KZ Mauthausen.

Ende Sommersemester 1943 dissertierte sie mit der Arbeit Entwurfspläne zu einer 4-klassigen Volksschule für eine Gartenstadt mit Bauzeichnungen und Modell und war fortan Diplomabsolvent der Reichshochschule für angewandte Kunst Wien, wie sich das damals nannte. Im selben Jahr lernte sie ihren späteren Mann, den Maler Robert Pippal kennen, zuerst über eine Brieffreundschaft und erst später, als er kriegsverletzt im Lazarett lag, kam es zum ersten persönlichen Treffen. Bereits einige Monate später, Ende 1943 heirateten sie.

Im September 1944 wurde sie von der Reichskammer der bildenden Künste in Berlin angeschrieben und aufgefordert, sich für den totalen Kriegseinsatz zur Verfügung zu stellen, sollte sie nicht bereits in einem kriegswichtigen Bauvorhaben eingeteilt sein. Es ist allerdings nicht bekannt, ob dieses Schreiben eine Auswirkung hatte.

Das Kriegsende und die unmittelbare Nachkriegszeit brachten einige Veränderungen in ihrem Leben. Sie trat 1945 der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs bei, löste die Zusammenarbeit mit Franz Schuster, weil sie sich beruflich übergangen fühlte, als er das Buch Treppen aus Stein, Holz und Eisen. Entwurf, Konstruktion und Gestaltung kleiner und großer Treppenanlagen (Die Bauelemente III)  unter seinem Namen im Julius Hoffmann Verlag in Stuttgart veröffentlicht wurde, obwohl sämtliche Konstruktionszeichnungen von Eugenie Kottnig ausgeführt worden ohne ihren Anteil zu erwähnen, und machte sich selbständig. Die ersten selbständigen Aufträge erhielt sie dank persönlicher Kontakte. Als sie und ihr Mann 1947 die Anfrage bekamen Illustrationen für das Österreich-Buch, herausgegeben von Ernst Marboe, beizusteuern, wurde das zu einer Art künstlerischem Durchbruch.

Am 15. September 1949 erhielt sie die Befugnis einer Architektin. Ihre Arbeiten und Interessen in der Zweiten Republik waren vielfältig. Sie nahm an Wettbewerben teil, plante Inneneinrichtungen und fand Freue daran, Zeichnungen für Publikationen anzufertigen. Sie nahm an so prominenten Wettbewerben, wie dem Museum der Stadt Wien oder der Umgestaltung des Donaukanals teil, an dem sich 38 Architekten und Architektinnen beteiligt hatte, und für den sie – gemeinsam mit ihrem beruflichen Partner Boris Christo Christoff – immerhin den 5. Platz erreichen konnte. 1953 übernahm sie kurzfristig die Redaktion der Architekturzeitschrift Der Bau, die sie aber nach internen Konflikten bald wieder zurücklegte. Erfolgeicher blieb sie mit Beiträgen für Publikationen. Sie veröffentlichte Stadtpläne in der Zeitschrift Sie und Er bei oder gestaltete 1952 eine Einladungskarte zum Heurigen für den österreichischen Außenminister Karl Gruber. Einige andere Illustrationsprojekte  blieben nur in der Planungsphase und wurden nicht umgesetzt.

Zunehmend arbeitete sie im Bereich der Inneneinrichtungen. Ob für Privatkunden von Wien bis New York, oder Businesskunden, hier sei das Bürogebäude der Firma Franck und Kathreiner in Linz und die Wiener Städtische Bestattung erwähnt.

Obwohl sie mit ihrem Mann über fünf Jahrzehnte im gemeinsamen Atelier arbeitete, war es ihr immer auch wichtig, eigenständige Projekte voranzutreiben. So kann sie ab Mitte der 1950er Jahre Aufträge der Stadt Wien für Wohnhausanlagen lukrieren, z. B.1962–1966 für die Wohnhausanlage in der Jägerstraße 65-67 im 20. Wiener Gemeindebezirk oder  1968–1973 für die Wohnhausanlage in der Thürnlhofstraße 20-25 im 11. Bezirk. Ob planungsverantwortlich, oder in Gemeinschaft mit anderen Architektinnen und Architekten, sie war eine vielbeschäftigte und gefragte Architektin bis in die 1980er Jahre. 1988 starb sie 77-jährig in Wien.

Werke (Auswahl)

1946          Wettbewerb städtebauliche und architektonische Neugestaltung der Ufer des Donaukanals, Wien I., II. und XX.

1953             Wettbewerb Historisches Museum Wien

1954-1955 Wohnhaus im Auftrag der Firma Frank und Kathreiner in Linz-Waldegg

1955             Deckenmosaike für die Oktogone im Foyer des 2. Ranges am Wiener Burgtheater, gemeinsam mit Hans Robert Pippal

Wohnhausanlagen der Stadt Wien 

1973-1975 Wohnhausanlage Pohlgasse 52, 1120 Wien
Gemeinschaftsaufträge:

1959–1963 Schrödingerhof, Gußriegelstraße 42–50, 1100 Wien, 

1961–1963 Raxstraße 38, 1100 Wien

1964–1966 Anton-Schmid-Hof, Pappenheimgasse 31, 1120 Wien 

1969–1970 Pantucekgasse 33, 1110 Wien 

1971–1972 Thürnlhofstraße 20–24, 1110 Wien 

1972–1973 Pantucekgasse 9–11, 1110 Wien

1981–1983 Zirkusgasse 30, 1020 Wien 

1982–1983 Weintraubengasse 6–10 und 13, 1020 Wien

Quellen

Markus Kristan, „… an allen Fragen der Gestaltung interessiert“ Leben und Werk der Wiener Architektin Eugenie Pippal-Kottnig 1921–1998. Manuskript, unveröffentlicht

Hochschule für Angewandte Kunst in Wien (Hg): Kunst: Anspruch und Gegenstand. Von der Kunstgewerbeschule zur Hochschule für Angewandte Kunst in Wien 1918 – 1991, Residenz Verlag, 1991

http://biografia.sabiado.at/pippal-kottnig-eugenie

Volkszeitung, 10. Juni 1940, S. 8

Foto: Eugenie Pippal-Kottnig, Portrait, ca 1955, privat

Foto: Eugenie Pippal-Kottnig beim Zeichnen, 1946, privat

Foto: Wettbewerb Donaukanal, 1946 , privat

Text: Christine Oertel
Februar 2022

zum Podcast